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« Das Mдdchen, ein kaum dreizehnjдhriges, etwas buckliges Mдdchen, stieЯ ihn darauf mit dem Ellbogen an und sah von der Seite zu ihm auf. Weder ihre Jugend noch ihr Kцrperfehler hatte verhindern kцnnen, daЯ sie schon ganz verdorben war. Sie lдchelte nicht einmal, sondern sah K. ernst mit scharfem, aufforderndem Blicke an. K. tat, als hдtte er ihr Benehmen nicht bemerkt, und fragte: »Kennst du den Maler Titorelli?« Sie nickte und fragte ihrerseits: »Was wollen Sie von ihm?« K. schien es vorteilhaft, sich noch schnell ein wenig ьber Titorelli zu unterrichten: »Ich will mich von ihm malen lassen«, sagte er. »Malen lassen?« fragte sie, цffnete ьbermдЯig den Mund, schlug leicht mit der Hand gegen K., als hдtte er etwas auЯerordentlich Ьberraschendes oder Ungeschicktes gesagt, hob mit beiden Hдnden ihr ohnedies sehr kurzes Rцckchen und lief, so schnell sie konnte, hinter den andern Mдdchen her, deren Geschrei schon undeutlich in der Hцhe sich verlor. Bei der nдchsten Wendung der Treppe aber traf K. schon wieder alle Mдdchen. Sie waren offenbar von der Buckligen von K.s Absicht verstдndigt worden und erwarteten ihn. Sie standen zu beiden Seiten der Treppe, drьckten sich an die Mauer, damit K. bequem zwischen ihnen durchkomme, und glдtteten mit der Hand ihre Schьrzen. Alle Gesichter, wie auch diese Spalierbildung, stellten eine Mischung von Kindlichkeit und Verworfenheit dar. Oben, an der Spitze der Mдdchen, die sich jetzt hinter K. lachend zusammenschlossen, war die Bucklige, welche die Fьhrung ьbernahm. K. hatte es ihr zu verdanken, daЯ er gleich den richtigen Weg fand. Er wollte nдmlich geradeaus weitersteigen, sie aber zeigte ihm, daЯ er eine Abzweigung der Treppe wдhlen mьsse, um zu Titorelli zu kommen. Die Treppe, die zu ihm fьhrte, war besonders schmal, sehr lang, ohne Biegung, in ihrer ganzen Lдnge zu ьbersehen und oben unmittelbar vor Titorellis Tьr abgeschlossen. Diese Tьr, die durch ein kleines, schief ьber ihr eingesetztes Oberlichtfenster im Gegensatz zur ьbrigen Treppe verhдltnismдЯig hell beleuchtet wurde, war aus nicht ьbertьnchten Balken zusammengesetzt, auf die der Name Titorelli mit roter Farbe in breiten Pinselstrichen gemalt war. K. war mit seinem Gefolge noch kaum in der Mitte der Treppe, als oben, offenbar veranlaЯt durch das Gerдusch der vielen Schritte, die Tьr ein wenig geцffnet wurde und ein wahrscheinlich nur mit einem Nachthemd bekleideter Mann in der Tьrspalte erschien. »Oh!« rief er, als er die Menge kommen sah, und verschwand. Die Bucklige klatschte vor Freude in die Hдnde, und die ьbrigen Mдdchen drдngten hinter K., um ihn schneller vorwдrtszutreiben.
Sie waren aber noch nicht einmal hinaufgekommen, als oben der Maler die Tьr gдnzlich aufriЯ und mit einer tiefen Verbeugung K. einlud, einzutreten. Die Mдdchen dagegen wehrte er ab, er wollte keine von ihnen einlassen, sosehr sie baten und sosehr sie versuchten, wenn schon nicht mit seiner Erlaubnis, so gegen seinen Willen einzudringen. Nur der Buckligen gelang es, unter seinem ausgestreckten Arm durchzuschlьpfen, aber der Maler jagte hinter ihr her, packte sie bei den Rцcken, wirbelte sie einmal um sich herum und setzte sie dann vor die Tьr bei den anderen Mдdchen ab, die es, wдhrend der Maler seinen Posten verlassen hatte, doch nicht gewagt hatten, die Schwelle zu ьberschreiten. K. wuЯte nicht, wie er das Ganze beurteilen sollte, es hatte nдmlich den Anschein, als ob alles in freundschaftlichem Einvernehmen geschehe. Die Mдdchen bei der Tьr streckten, eines hinter dem anderen, die Hдlse in die Hцhe, riefen dem Maler verschiedene scherzhaft gemeinte Worte zu, die K. nicht verstand, und auch der Maler lachte, wдhrend die Bucklige in seiner Hand fast flog. Dann schloЯ er die Tьr, verbeugte sich nochmals vor K., reichte ihm die Hand und sagte, sich vorstellend: »Kunstmaler Titorelli.« K. zeigte auf die Tьr, hinter der die Mдdchen flьsterten, und sagte: »Sie scheinen im Hause sehr beliebt zu sein.« »Ach, die Fratzen!« sagte der Maler und suchte vergebens sein Nachthemd am Halse zuzuknцpfen. Er war im ьbrigen bloЯfьЯig und nur noch mit einer breiten, gelblichen Leinenhose bekleidet, die mit einem Riemen festgemacht war, dessen langes Ende frei hin und her schlug. »Diese Fratzen sind mir eine wahre Last«, fuhr er fort, wдhrend er vom Nachthemd, dessen letzter Knopf gerade abgerissen war, ablieЯ, einen Sessel holte und K. zum Niedersetzen nцtigte. »Ich habe eine von ihnen – sie ist heute nicht einmal dabei – einmal gemalt, und seitdem verfolgen mich alle. Wenn ich selbst hier bin, kommen sie nur herein, wenn ich es erlaube, bin ich aber einmal weg, dann ist immer zumindest eine da. Sie haben sich einen Schlьssel zu meiner Tьr machen lassen, den sie untereinander verleihen. Man kann sich kaum vorstellen, wie lдstig das ist. Ich komme zum Beispiel mit einer Dame, die ich malen soll, nach Hause, цffne die Tьr mit meinem Schlьssel und finde etwa die Bucklige dort beim Tischchen, wie sie sich mit dem Pinsel die Lippen rot fдrbt, wдhrend ihre kleinen Geschwister, die sie zu beaufsichtigen hat, sich herumtreiben und das Zimmer in allen Ecken verunreinigen. Oder ich komme, wie es mir erst gestern geschehen ist, spдtabends nach Hause – entschuldigen Sie, bitte, mit Rьcksicht darauf meinen Zustand und die Unordnung im Zimmer –, also ich komme spдtabends nach Hause und will ins Bett steigen, da zwickt mich etwas ins Bein, ich schaue unter das Bett und ziehe wieder so ein Ding heraus. Warum sie sich so zu mir drдngen, weiЯ ich nicht, daЯ ich sie nicht zu mir zu locken suche, dьrften Sie eben bemerkt haben. Natьrlich bin ich dadurch auch in meiner Arbeit gestцrt. Wдre mir dieses Atelier nicht umsonst zur Verfьgung gestellt, ich wдre schon lдngst ausgezogen.« Gerade rief hinter der Tьr ein Stimmchen, zart und дngstlich: »Titorelli, dьrfen wir schon kommen?« »Nein«, antwortete der Maler. »Ich allein auch nicht?« fragte es wieder. »Auch nicht«, sagte der Maler, ging zur Tьr und sperrte sie ab.
K. hatte sich inzwischen im Zimmer umgesehen, er wдre niemals selbst auf den Gedanken gekommen, daЯ man dieses elende kleine Zimmer ein Atelier nennen kцnnte. Mehr als zwei lange Schritte konnte man der Lдnge und Quere nach kaum hier machen. Alles, FuЯboden, Wдnde und Zimmerdecke, war aus Holz, zwischen den Balken sah man schmale Ritzen. K. gegenьber stand an der Wand das Bett, das mit verschiedenfarbigem Bettzeug ьberladen war. In der Mitte des Zimmers war auf einer Staffelei ein Bild, das mit einem Hemd verhьllt war, dessen Дrmel bis zum Boden baumelten. Hinter K. war das Fenster, durch das man in Nebel nicht weiter sehen konnte als ьber das mit Schnee bedeckte Dach des Nachbarhauses.
Das Umdrehen des Schlьssels im SchloЯ erinnerte K. daran, daЯ er bald hatte weggehen wollen. Er zog daher den Brief des Fabrikanten aus der Tasche, reichte ihn dem Maler und sagte: »Ich habe durch diesen Herrn, Ihren Bekannten, von Ihnen erfahren und bin auf seinen Rat hin gekommen.« Der Maler las den Brief flьchtig durch und warfihn aufs Bett. Hдtte der Fabrikant nicht auf das bestimmteste von Titorelli als von seinem Bekannten gesprochen, als von einem armen Menschen, der auf seine Almosen angewiesen war, so hдtte man jetzt wirklich glauben kцnnen, Titorelli kenne den Fabrikanten nicht oder wisse sich an ihn wenigstens nicht zu erinnern. Ьberdies fragte nun der Maler: »Wollen Sie Bilder kaufen oder sich selbst malen lassen?« K. sah den Maler erstaunt an. Was stand denn eigentlich in dem Brief? K. hatte es als selbstverstдndlich angenommen, daЯ der Fabrikant in dem Brief den Maler davon unterrichtet hatte, daЯ K. nichts anderes wollte, als sich hier wegen seines Prozesses zu erkundigen. Er war doch gar zu eilig und unьberlegt hierhergelaufen! Aber er muЯte jetzt dem Maler irgendwie antworten und sagte mit einem Blick auf die Staffelei: »Sie arbeiten gerade an einem Bild?« »Ja«, sagte der Maler und warf das Hemd, das ьber der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. »Es ist ein Portrдt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig.« Der Zufall war K. gьnstig, die Mцglichkeit, vom Gericht zu reden, wurde ihm fцrmlich dargeboten, denn es war offenbar das Portrдt eines Richters. Es war ьbrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend дhnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz anderen Richter, einen dicken Mann mit schwarzem, buschigem Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Цlbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles ьbrige war дhnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. »Das ist ja ein Richter«, hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorlдufig noch zurьck und nдherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine groЯe Figur, die in der Mitte der Rьckenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklдren und fragte den Maler nach ihr. Sie mьsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete der Maler, holte von einem Tischchen einen Pastellstift und strichelte mit ihm ein wenig an den Rдndern der Figur, ohne sie aber dadurch fьr K. deutlicher zu machen. »Es ist die Gerechtigkeit«, sagte der Maler schlieЯlich. »Jetzt erkenne ich sie schon«, sagte K., »hier ist die Binde um die Augen und hier die Waage. Aber sind nicht an den Fersen Flьgel und befindet sie sich nicht im Lauf?« »Ja«, sagte der Maler, »ich muЯte es ьber Auftrag so malen, es ist eigentlich die Gerechtigkeit und die Siegesgцttin in einem.« »Das ist keine gute Verbindung«, sagte K. lдchelnd, »die Gerechtigkeit muЯ ruhen, sonst schwankt die Waage, und es ist kein gerechtes Urteil mцglich.« »Ich fьge mich darin meinem Auftraggeber«, sagte der Maler. »Ja gewiЯ«, sagte K., der mit seiner Bemerkung niemanden hatte krдnken wollen.
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Sie waren aber noch nicht einmal hinaufgekommen, als oben der Maler die Tьr gдnzlich aufriЯ und mit einer tiefen Verbeugung K. einlud, einzutreten. Die Mдdchen dagegen wehrte er ab, er wollte keine von ihnen einlassen, sosehr sie baten und sosehr sie versuchten, wenn schon nicht mit seiner Erlaubnis, so gegen seinen Willen einzudringen. Nur der Buckligen gelang es, unter seinem ausgestreckten Arm durchzuschlьpfen, aber der Maler jagte hinter ihr her, packte sie bei den Rцcken, wirbelte sie einmal um sich herum und setzte sie dann vor die Tьr bei den anderen Mдdchen ab, die es, wдhrend der Maler seinen Posten verlassen hatte, doch nicht gewagt hatten, die Schwelle zu ьberschreiten. K. wuЯte nicht, wie er das Ganze beurteilen sollte, es hatte nдmlich den Anschein, als ob alles in freundschaftlichem Einvernehmen geschehe. Die Mдdchen bei der Tьr streckten, eines hinter dem anderen, die Hдlse in die Hцhe, riefen dem Maler verschiedene scherzhaft gemeinte Worte zu, die K. nicht verstand, und auch der Maler lachte, wдhrend die Bucklige in seiner Hand fast flog. Dann schloЯ er die Tьr, verbeugte sich nochmals vor K., reichte ihm die Hand und sagte, sich vorstellend: »Kunstmaler Titorelli.« K. zeigte auf die Tьr, hinter der die Mдdchen flьsterten, und sagte: »Sie scheinen im Hause sehr beliebt zu sein.« »Ach, die Fratzen!« sagte der Maler und suchte vergebens sein Nachthemd am Halse zuzuknцpfen. Er war im ьbrigen bloЯfьЯig und nur noch mit einer breiten, gelblichen Leinenhose bekleidet, die mit einem Riemen festgemacht war, dessen langes Ende frei hin und her schlug. »Diese Fratzen sind mir eine wahre Last«, fuhr er fort, wдhrend er vom Nachthemd, dessen letzter Knopf gerade abgerissen war, ablieЯ, einen Sessel holte und K. zum Niedersetzen nцtigte. »Ich habe eine von ihnen – sie ist heute nicht einmal dabei – einmal gemalt, und seitdem verfolgen mich alle. Wenn ich selbst hier bin, kommen sie nur herein, wenn ich es erlaube, bin ich aber einmal weg, dann ist immer zumindest eine da. Sie haben sich einen Schlьssel zu meiner Tьr machen lassen, den sie untereinander verleihen. Man kann sich kaum vorstellen, wie lдstig das ist. Ich komme zum Beispiel mit einer Dame, die ich malen soll, nach Hause, цffne die Tьr mit meinem Schlьssel und finde etwa die Bucklige dort beim Tischchen, wie sie sich mit dem Pinsel die Lippen rot fдrbt, wдhrend ihre kleinen Geschwister, die sie zu beaufsichtigen hat, sich herumtreiben und das Zimmer in allen Ecken verunreinigen. Oder ich komme, wie es mir erst gestern geschehen ist, spдtabends nach Hause – entschuldigen Sie, bitte, mit Rьcksicht darauf meinen Zustand und die Unordnung im Zimmer –, also ich komme spдtabends nach Hause und will ins Bett steigen, da zwickt mich etwas ins Bein, ich schaue unter das Bett und ziehe wieder so ein Ding heraus. Warum sie sich so zu mir drдngen, weiЯ ich nicht, daЯ ich sie nicht zu mir zu locken suche, dьrften Sie eben bemerkt haben. Natьrlich bin ich dadurch auch in meiner Arbeit gestцrt. Wдre mir dieses Atelier nicht umsonst zur Verfьgung gestellt, ich wдre schon lдngst ausgezogen.« Gerade rief hinter der Tьr ein Stimmchen, zart und дngstlich: »Titorelli, dьrfen wir schon kommen?« »Nein«, antwortete der Maler. »Ich allein auch nicht?« fragte es wieder. »Auch nicht«, sagte der Maler, ging zur Tьr und sperrte sie ab.
K. hatte sich inzwischen im Zimmer umgesehen, er wдre niemals selbst auf den Gedanken gekommen, daЯ man dieses elende kleine Zimmer ein Atelier nennen kцnnte. Mehr als zwei lange Schritte konnte man der Lдnge und Quere nach kaum hier machen. Alles, FuЯboden, Wдnde und Zimmerdecke, war aus Holz, zwischen den Balken sah man schmale Ritzen. K. gegenьber stand an der Wand das Bett, das mit verschiedenfarbigem Bettzeug ьberladen war. In der Mitte des Zimmers war auf einer Staffelei ein Bild, das mit einem Hemd verhьllt war, dessen Дrmel bis zum Boden baumelten. Hinter K. war das Fenster, durch das man in Nebel nicht weiter sehen konnte als ьber das mit Schnee bedeckte Dach des Nachbarhauses.
Das Umdrehen des Schlьssels im SchloЯ erinnerte K. daran, daЯ er bald hatte weggehen wollen. Er zog daher den Brief des Fabrikanten aus der Tasche, reichte ihn dem Maler und sagte: »Ich habe durch diesen Herrn, Ihren Bekannten, von Ihnen erfahren und bin auf seinen Rat hin gekommen.« Der Maler las den Brief flьchtig durch und warfihn aufs Bett. Hдtte der Fabrikant nicht auf das bestimmteste von Titorelli als von seinem Bekannten gesprochen, als von einem armen Menschen, der auf seine Almosen angewiesen war, so hдtte man jetzt wirklich glauben kцnnen, Titorelli kenne den Fabrikanten nicht oder wisse sich an ihn wenigstens nicht zu erinnern. Ьberdies fragte nun der Maler: »Wollen Sie Bilder kaufen oder sich selbst malen lassen?« K. sah den Maler erstaunt an. Was stand denn eigentlich in dem Brief? K. hatte es als selbstverstдndlich angenommen, daЯ der Fabrikant in dem Brief den Maler davon unterrichtet hatte, daЯ K. nichts anderes wollte, als sich hier wegen seines Prozesses zu erkundigen. Er war doch gar zu eilig und unьberlegt hierhergelaufen! Aber er muЯte jetzt dem Maler irgendwie antworten und sagte mit einem Blick auf die Staffelei: »Sie arbeiten gerade an einem Bild?« »Ja«, sagte der Maler und warf das Hemd, das ьber der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. »Es ist ein Portrдt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig.« Der Zufall war K. gьnstig, die Mцglichkeit, vom Gericht zu reden, wurde ihm fцrmlich dargeboten, denn es war offenbar das Portrдt eines Richters. Es war ьbrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend дhnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz anderen Richter, einen dicken Mann mit schwarzem, buschigem Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Цlbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles ьbrige war дhnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. »Das ist ja ein Richter«, hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorlдufig noch zurьck und nдherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine groЯe Figur, die in der Mitte der Rьckenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklдren und fragte den Maler nach ihr. Sie mьsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete der Maler, holte von einem Tischchen einen Pastellstift und strichelte mit ihm ein wenig an den Rдndern der Figur, ohne sie aber dadurch fьr K. deutlicher zu machen. »Es ist die Gerechtigkeit«, sagte der Maler schlieЯlich. »Jetzt erkenne ich sie schon«, sagte K., »hier ist die Binde um die Augen und hier die Waage. Aber sind nicht an den Fersen Flьgel und befindet sie sich nicht im Lauf?« »Ja«, sagte der Maler, »ich muЯte es ьber Auftrag so malen, es ist eigentlich die Gerechtigkeit und die Siegesgцttin in einem.« »Das ist keine gute Verbindung«, sagte K. lдchelnd, »die Gerechtigkeit muЯ ruhen, sonst schwankt die Waage, und es ist kein gerechtes Urteil mцglich.« »Ich fьge mich darin meinem Auftraggeber«, sagte der Maler. »Ja gewiЯ«, sagte K., der mit seiner Bemerkung niemanden hatte krдnken wollen.
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