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Da du sagst, daЯ auch die Familie durch den ProzeЯ in Mitleidenschaft gezogen wьrde – was ich fьr meinen Teil durchaus nicht begreifen kann, das ist aber Nebensache –, so will dir gerne in allem folgen. Nur den Landaufenthalt halte ich selbst in deinem Sinne nicht fьr vorteilhaft, denn das wьrde Flucht und SchuldbewuЯtsein bedeuten. Ьberdies bin ich hier zwar mehr verfolgt, kann aber auch selbst die Sache mehr betreiben.« »Richtig«, sagte der Onkel in einem Ton, als kдmen sie jetzt endlich einander nдher, »ich machte den Vorschlag nur, weil ich, wenn du hier bliebst, die Sache von deiner Gleichgьltigkeit gefдhrdet sah und es fьr besser hielt, wenn ich statt deiner fьr dich arbeitete. Willst du es aber mit aller Kraft selbst betreiben, so ist es natьrlich weit besser.« »Darin wдren wir also einig«, sagte K. »Und hast du jetzt einen Vorschlag dafьr, was ich zunдchst machen soll?« »Ich muЯ mir natьrlich die Sache noch ьberlegen«, sagte der Onkel, »du muЯt bedenken, daЯ ich jetzt schon zwanzig Jahre fast ununterbrochen auf dem Lande bin, dabei lдЯt der Spьrsinn in diesen Richtungen nach. Verschiedene wichtige Verbindungen mit Persцnlichkeiten, die sich hier vielleicht besser auskennen, haben sich von selbst gelockert. Ich bin auf dem Land ein wenig verlassen, das weiЯt du ja. Selbst merkt man es eigentlich erst bei solchen Gelegenheiten. Zum Teil kam mir deine Sache auch unerwartet, wenn ich auch merkwьrdigerweise nach Ernas Brief schon etwas Derartiges ahnte und es heute bei deinem Anblick fast mit Bestimmtheit wuЯte. Aber das ist gleichgьltig, das Wichtigste ist jetzt, keine Zeit zu verlieren.« Schon wдhrend seiner Rede hatte er, auf den FuЯspitzen stehend, einem Automobil gewinkt und zog jetzt, wдhrend er gleichzeitig dem Wagenlenker eine Adresse zurief, K. hinter sich in den Wagen. »Wir fahren jetzt zum Advokaten Huld«, sagte er, »er war mein Schulkollege. Du kennst den Namen gewiЯ auch? Nicht? Das ist aber merkwьrdig. Er hat doch als Verteidiger und Armenadvokat einen bedeutenden Ruf. Ich aber habe besonders zu ihm als Menschen groЯes Vertrauen.« »Mir ist alles recht, was du unternimmst«, sagte K., obwohl ihm die eilige und dringliche Art, mit der der Onkel die Angelegenheit behandelte, Unbehagen verursachte. Es war nicht sehr erfreulich, als Angeklagter zu einem Armenadvokaten zu fahren. »Ich wuЯte nicht«, sagte er, »daЯ man in einer solchen Sache auch einen Advokaten zuziehen kцnne.« »Aber natьrlich«, sagte der Onkel, »das ist ja selbstverstдndlich. Warum denn nicht? Und nun erzдhle mir, damit ich ьber die Sache genau unterrichtet bin, alles, was bisher geschehen ist.« K. begann sofort zu erzдhlen, ohne irgend etwas zu verschweigen, seine vollstдndige Offenheit war der einzige Protest, den er sich gegen des Onkels Ansicht, der ProzeЯ sei eine groЯe Schande, erlauben konnte. Frдulein Bьrstners Namen erwдhnte er nur einmal und flьchtig, aber das beeintrдchtigte nicht die Offenheit, denn Frдulein Bьrstner stand mit dem ProzeЯ in keiner Verbindung. Wдhrend er erzдhlte, sah er aus dem Fenster und beobachtete, wie sie sich gerade jener Vorstadt nдherten, in der die Gerichtskanzleien waren, er machte den Onkel darauf aufmerksam, der aber das Zusammentreffen nicht besonders auffallend fand. Der Wagen hielt vor einem dunklen Haus. Der Onkel lдutete gleich im Parterre bei der ersten Tьr; wдhrend sie warteten, fletschte er lдchelnd seine groЯen Zдhne und flьsterte: »Acht Uhr, eine ungewцhnliche Zeit fьr Parteienbesuche. Huld nimmt es mir aber nicht ьbel.« Im Guckfenster der Tьr erschienen zwei groЯe, schwarze Augen, sahen ein Weilchen die zwei Gдste an und verschwanden; die Tьr цffnete sich aber nicht. Der Onkel und K. bestдtigten einander gegenseitig die Tatsache, die zwei Augen gesehen zu haben. »Ein neues Stubenmдdchen, das sich vor Fremden fьrchtet«, sagte der Onkel und klopfte nochmals. Wieder erschienen die Augen, man konnte sie jetzt fast fьr traurig halten, vielleicht war das aber auch nur eine Tдuschung, hervorgerufen durch die offene Gasflamme, die nahe ьber den Kцpfen stark zischend brannte, aber wenig Licht gab. »Цffnen Sie«, rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tьr, »es sind Freunde des Herrn Advokaten!« »Der Herr Advokat ist krank«, flьsterte es hinter ihnen. In einer Tьr am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit дuЯerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wьtend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: »Krank? Sie sagen, er ist krank?« und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. »Man hat schon geцffnet«, sagte der Herr, zeigte auf die Tьr des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tьr war wirklich geцffnet worden, ein junges Mдdchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewдlzten Augen wieder – stand in langer, weiЯer Schьrze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. »Nдchstens цffnen Sie frьher!« sagte der Onkel statt einer BegrьЯung, wдhrend das Mдdchen einen kleinen Knicks machte. »Komm, Josef«, sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mдdchen vorьberschob. »Der Herr Advokat ist krank«, sagte das Mдdchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tьr zueilte. K. staunte das Mдdchen noch an, wдhrend es sich schon umgedreht hatte, um die Wohnungstьr wieder zu versperren, es hatte ein puppenfцrmiges gerundetes Gesicht, nicht nur die bleichen Wangen und das Kinn verliefen rund, auch die Schlдfen und die Stirnrдnder. »Josef!« rief der Onkel wieder, und das Mдdchen fragte er: »Es ist das Herzleiden?« »Ich glaube wohl«, sagte das Mдdchen, es hatte Zeit gefunden, mit der Kerze voranzugehen und die Zimmertьr zu цffnen. In einem Winkel des Zimmers, wohin das Kerzenlicht noch nicht drang, erhob sich im Bett ein Gesicht mit langem Bart. »Leni, wer kommt denn?« fragte der Advokat, der, durch die Kerze geblendet, die Gдste nicht erkannte. »Albert, dein alter Freund ist es«, sagte der Onkel. »Ach, Albert«, sagte der Advokat und lieЯ sich auf die Kissen zurьckfallen, als bedьrfe es diesem Besuch gegenьber keiner Verstellung. »Steht es wirklich so schlecht?« fragte der Onkel und setzte sich auf den Bettrand. »Ich glaube es nicht. Es ist ein Anfall deines Herzleidens und wird vorьbergehen wie die frьheren.« »Mцglich«, sagte der Advokat leise, »es ist aber дrger, als es jemals gewesen ist. Ich atme schwer, schlafe gar nicht und verliere tдglich an Kraft.« »So«, sagte der Onkel und drьckte den Panamahut mit seiner groЯen Hand fest aufs Knie. »Das sind schlechte Nachrichten. Hast du ьbrigens die richtige Pflege? Es ist auch so traurig hier, so dunkel. Es ist schon lange her, seit ich zum letztenmal hier war, damals schien es mir freundlicher. Auch dein kleines Frдulein hier scheint nicht sehr lustig, oder sie verstellt sich.« Das Mдdchen stand noch immer mit der Kerze nahe bei der Tьr; soweit ihr unbestimmter Blick erkennen lieЯ, sah sie eher K. an als den Onkel, selbst als dieser jetzt von ihr sprach. K. lehnte an einem Sessel, den er in die Nдhe des Mдdchens geschoben hatte. »Wenn man so krank ist wie ich«, sagte der Advokat, »muЯ man Ruhe haben. Mir ist es nicht traurig.« Nach einer kleinen Pause fьgte er hinzu: »Und Leni pflegt mich gut, sie ist brav.« Den Onkel konnte das aber nicht ьberzeugen, er war sichtlich gegen die Pflegerin voreingenommen, und wenn er auch dem Kranken nichts entgegnete, so verfolgte er doch die Pflegerin mit strengen Blicken, als sie jetzt zum Bett hinging, die Kerze auf das Nachttischchen stellte, sich ьber den Kranken hinbeugte und beim Ordnen der Kissen mit ihm flьsterte. Er vergaЯ fast die Rьcksicht auf den Kranken, stand auf, ging hinter der Pflegerin hin und her, und K. hдtte es nicht gewundert, wenn er sie hinten an den Rцcken erfaЯt und vom Bett fortgezogen hдtte. K. selbst sah allem ruhig zu, die Krankheit des Advokaten war ihm sogar nicht ganz unwillkommen, dem Eifer, den der Onkel fьr seine Sache entwickelt hatte, hatte er sich nicht entgegenstellen kцnnen, die Ablenkung, die dieser Eifer jetzt ohne sein Zutun erfuhr, nahm er gerne hin. Da sagte der Onkel, vielleicht nur in der Absicht, die Pflegerin zu beleidigen: »Frдulein, bitte, lassen Sie uns ein Weilchen allein, ich habe mit meinem Freund eine persцnliche Angelegenheit zu besprechen.« Die Pflegerin, die noch weit ьber den Kranken hingebeugt war und gerade das Leintuch an der Wand glдttete, wendete nur den Kopf und sagte sehr ruhig, was einen auffallenden Unterschied zu den vor Wut stockenden und dann wieder ьberflieЯenden Reden des Onkels bildete: »Sie sehen, der Herr ist so krank, er kann keine Angelegenheiten besprechen.« Sie hatte die Worte des Onkels wahrscheinlich nur aus Bequemlichkeit wiederholt, immerhin konnte es selbst von einem Unbeteiligten als spцttisch aufgefaЯt werden, der Onkel aber fuhr natьrlich wie ein Gestochener auf. »Du Verdammte«, sagte er im ersten Gurgeln der Aufregung noch ziemlich unverstдndlich, K. erschrak, obwohl er etwas Дhnliches erwartet hatte, und lief auf den Onkel zu, mit der bestimmten Absicht, ihm mit beiden Hдnden den Mund zu schlieЯen. Glьcklicherweise erhob sich aber hinter dem Mдdchen der Kranke, der Onkel machte ein finsteres Gesicht, als schlucke er etwas Abscheuliches hinunter, und sagte dann ruhiger: »Wir haben natьrlich auch noch den Verstand nicht verloren; wдre das, was ich verlange, nicht mцglich, wьrde ich es nicht verlangen. Bitte, gehen Sie jetzt!« Die Pflegerin stand aufgerichtet am Bett, dem Onkel voll zugewendet, mit der einen Hand streichelte sie, wie K. zu bemerken glaubte, die Hand des Advokaten. »Du kannst vor Leni alles sagen«, sagte der Kranke, zweifellos im Ton einer dringenden Bitte. »Es betrifft mich nicht«, sagte der Onkel, »es ist nicht mein Geheimnis.
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