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Ob sie mir die Hand reichen wird? Der Aufseher hat mir die Hand nicht gereicht, dachte er und sah die Frau anders als frьher, prьfend an. Sie stand auf, weil auch er aufgestanden war, sie war ein wenig befangen, weil ihr nicht alles, was K. gesagt hatte, verstдndlich gewesen war. Infolge dieser Befangenheit sagte sie aber etwas, was sie gar nicht wollte und was auch gar nicht am Platze war: »Nehmen Sie es doch nicht so schwer, Herr K.«, sagte sie, hatte Trдnen in der Stimme und vergaЯ natьrlich auch den Handschlag. »Ich wьЯte nicht, daЯ ich es schwer nehme«, sagte K., plцtzlich ermьdet und das Wertlose aller Zustimmungen dieser Frau einsehend.
Bei der Tьr fragte er noch: »Ist Frдulein Bьrstner zu Hause?« »Nein«, sagte Frau Grubach und lдchelte bei dieser trockenen Auskunft mit einer verspдteten vernьnftigen Teilnahme. »Sie ist im Theater. Wollten Sie etwas von ihr? Soll ich ihr etwas ausrichten?« »Ach, ich wollte nur ein paar Worte mit ihr reden.« »Ich weiЯ leider nicht, wann sie kommt; wenn sie im Theater ist, kommt sie gewцhnlich spдt.« »Das ist ja ganz gleichgьltig«, sagte K. und drehte schon den gesenkten Kopf der Tьr zu, um wegzugehen, »ich wollte mich nur bei ihr entschuldigen, daЯ ich heute ihr Zimmer in Anspruch genommen habe.« »Das ist nicht nцtig, Herr K., Sie sind zu rьcksichtsvoll, das Frдulein weiЯ ja von gar nichts, sie war seit dem frьhen Morgen noch nicht zu Hause, es ist auch schon alles in Ordnung gebracht, sehen Sie selbst.« Und sie цffnete die Tьr zu Frдulein Bьrstners Zimmer. »Danke, ich glaube es«, sagte K., ging dann aber doch zu der offenen Tьr. Der Mond schien still in das dunkle Zimmer. Soviel man sehen konnte, war wirklich alles an seinem Platz, auch die Bluse hing nicht mehr an der Fensterklinke. Auffallend hoch schienen die Polster im Bett, sie lagen zum Teil im Mondlicht. »Das Frдulein kommt oft spдt nach Hause«, sagte K. und sah Frau Grubach an, als trage sie die Verantwortung dafьr. »Wie eben junge Leute sind!« sagte Frau Grubach entschuldigend. »GewiЯ, gewiЯ«, sagte K., »es kann aber zu weit gehen.« »Das kann es«, sagte Frau Grubach, »wie sehr haben Sie recht, Herr K. Vielleicht sogar in diesem Fall. Ich will Frдulein Bьrstner gewiЯ nicht verleumden, sie ist ein gutes, liebes Mдdchen, freundlich, ordentlich, pьnktlich, arbeitsam, ich schдtze das alles sehr, aber eines ist wahr, sie sollte stolzer, zurьckhaltender sein. Ich habe sie in diesem Monat schon zweimal in entlegenen StraЯen und immer mit einem andern Herrn gesehen. Es ist mir sehr peinlich, ich erzдhle es, beim wahrhaftigen Gott, nur Ihnen, Herr K., aber es wird sich nicht vermeiden lassen, daЯ ich auch mit dem Frдulein selbst darьber spreche. Es ist ьbrigens nicht das Einzige, das sie mir verdдchtig macht.« »Sie sind auf ganz falschem Weg«, sagte K. wьtend und fast unfдhig, es zu verbergen, »ьbrigens haben Sie offenbar auch meine Bemerkung ьber das Frдulein miЯverstanden, so war es nicht gemeint. Ich warne Sie sogar aufrichtig, dem Frдulein irgend etwas zu sagen, Sie sind durchaus im Irrtum, ich kenne das Frдulein sehr gut, es ist nichts davon wahr, was Sie sagten. Ьbrigens, vielleicht gehe ich zu weit, ich will Sie nicht hindern, sagen Sie ihr, was Sie wollen. Gute Nacht.« »Herr K.«, sagte Frau Grubach bittend und eilte K. bis zu seiner Tьr nach, die er schon geцffnet hatte, »ich will ja noch gar nicht mit dem Frдulein reden, natьrlich will ich sie vorher noch weiter beobachten, nur Ihnen habe ich anvertraut, was ich wuЯte. SchlieЯlich muЯ es doch im Sinne jedes Mieters sein, wenn man die Pension rein zu erhalten sucht, und nichts anderes ist mein Bestreben dabei.« »Die Reinheit!« rief K. noch durch die Spalte der Tьr, »wenn Sie die Pension rein erhalten wollen, mьssen Sie zuerst mir kьndigen.« Dann schlug er die Tьr zu, ein leises Klopfen beachtete er nicht mehr.
Dagegen beschloЯ er, da er gar keine Lust zum Schlafen hatte, noch wachzubleiben und bei dieser Gelegenheit auch festzustellen, wann Frдulein Bьrstner kommen wьrde. Vielleicht wдre es dann auch mцglich, so unpassend es sein mochte, noch ein paar Worte mir ihr zu reden. Als er im Fenster lag und die mьden Augen drьckte, dachte er einen Augenblick sogar daran, Frau Grubach zu bestrafen und Frдulein Bьrstner zu ьberreden, gemeinsam mit ihm zu kьndigen. Sofort aber erschien ihm das entsetzlich ьbertrieben, und er hatte sogar den Verdacht gegen sich, daЯ er darauf ausging, die Wohnung wegen der Vorfдlle am Morgen zu wechseln. Nichts wдre unsinniger und vor allem zweckloser und verдchtlicher gewesen. Als er des Hinausschauens auf die leere StraЯe ьberdrьssig geworden war, legte er sich auf das Kanapee, nachdem er die Tьr zum Vorzimmer ein wenig geцffnet hatte, um jeden, der die Wohnung betrat, gleich vom Kanapee aus sehen zu kцnnen. Etwa bis elf Uhr lag er ruhig, eine Zigarre rauchend, auf dem Kanapee. Von da ab hielt er es aber nicht mehr dort aus, sondern ging ein wenig ins Vorzimmer, als kцnne er dadurch die Ankunft des Frдulein Bьrstner beschleunigen. Er hatte kein besonderes Verlangen nach ihr, er konnte sich nicht einmal genau erinnern, wie sie aussah, aber nun wollte er mit ihr reden und es reizte ihn, daЯ sie durch ihr spдtes Kommen auch noch in den AbschluЯ dieses Tages Unruhe und Unordnung brachte. Sie war auch schuld daran, daЯ er heute nicht zu Abend gegessen und daЯ er den fьr heute beabsichtigten Besuch bei Elsa unterlassen hatte. Beides konnte er allerdings noch dadurch nachholen, daЯ er jetzt in das Weinlokal ging, in dem Elsa bedienstet war. Er wollte es auch noch spдter nach der Unterredung mit Frдulein Bьrstner tun.
Es war halb zwцlf vorьber, als jemand im Treppenhaus zu hцren war. K., der, seinen Gedanken hingegeben, im Vorzimmer so, als wдre es sein eigenes Zimmer, laut auf und ab ging, flьchtete hinter seine Tьr. Es war Frдulein Bьrstner, die gekommen war. Frцstelnd zog sie, wдhrend sie die Tьr versperrte, einen seidenen Schal um ihre schmalen Schultern zusammen. Im nдchsten Augenblick muЯte sie in ihr Zimmer gehen, in das K. gewiЯ um Mitternacht nicht eindringen durfte; er muЯte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglьcklicherweise versдumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daЯ sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Ьberfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken muЯte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flьsterte er durch den Tьrspalt: »Frдulein Bьrstner.« Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. »Ist jemand hier?« fragte Frдulein Bьrstner und sah sich mit groЯen Augen um. »Ich bin es«, sagte K. und trat vor. »Ach, Herr K.!« sagte Frдulein Bьrstner lдchelnd. »Guten Abend«, und sie reichte ihm die Hand. »Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?« »Jetzt?« fragte Frдulein Bьrstner, »muЯ es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?« »Ich warte seit neun Uhr auf Sie.« »Nun ja, ich war im Theater, ich wuЯte doch nichts von Ihnen.« »Der AnlaЯ fьr das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.« »So, nun ich habe ja nichts Grundsдtzliches dagegen, auЯer daЯ ich zum Hinfallen mьde bin. Also kommen Sie auf ein paar Minuten in mein Zimmer. Hier kцnnten wir uns auf keinen Fall unterhalten, wir wecken ja alle und das wдre mir unseretwegen noch unangenehmer als der Leute wegen. Warten Sie hier, bis ich in meinem Zimmer angezьndet habe, und drehen Sie dann hier das Licht ab.« K. tat so, wartete dann aber noch bis Frдulein Bьrstner ihn aus ihrem Zimmer nochmals leise aufforderte zu kommen. »Setzen Sie sich«, sagte sie und zeigte auf die Ottomane, sie selbst blieb aufrecht am Bettpfosten trotz der Mьdigkeit, von der sie gesprochen hatte; nicht einmal ihren kleinen, aber mit einer Ьberfьlle von Blumen geschmьckten Hut legte sie ab. »Was wollten Sie also? Ich bin wirklich neugierig.« Sie kreuzte leicht die Beine. »Sie werden vielleicht sagen«, begann K., »daЯ die Sache nicht so dringend war, um jetzt besprochen zu werden, aber –« »Einleitungen ьberhцre ich immer«, sagte Frдulein Bьrstner. »Das erleichtert meine Aufgabe«, sagte K. »Ihr Zimmer ist heute frьh, gewissermaЯen durch meine Schuld, ein wenig in Unordnung gebracht worden, es geschah durch fremde Leute gegen meinen Willen und doch, wie gesagt, durch meine Schuld; dafьr wollte ich um Entschuldigung bitten.« »Mein Zimmer?« fragte Frдulein Bьrstner und sah statt des Zimmers K. prьfend an. »Es ist so«, sagte K., und nun sahen beide einander zum erstenmal in die Augen, »die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.« »Aber doch das eigentlich Interessante«, sagte Frдulein Bьrstner. »Nein«, sagte K. »Nun«, sagte Frдulein Bьrstner, »ich will mich nicht in Geheimnisse eindrдngen, bestehen Sie darauf, daЯ es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.« Sie machte, die flachen Hдnde tief an die Hьften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. »Sehen Sie doch!« rief sie. »Meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber hдЯlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.« K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine цde, sinnlose Lebhaftigkeit niemals zдhmen konnte. »Es ist sonderbar«, sagte Frдulein Bьrstner, »daЯ ich gezwungen bin, Ihnen etwas zu verbieten, was Sie sich selbst verbieten mьЯten, nдmlich in meiner Abwesenheit mein Zimmer zu betreten.« »Ich erklдrte Ihnen doch, Frдulein«, sagte K. und ging auch zu den Photographien, »daЯ nicht ich es war, der sich an Ihren Photographien vergangen hat; aber da Sie mir nicht glauben, so muЯ ich also eingestehen, daЯ die Untersuchungskommission drei Bankbeamte mitgebracht hat, von denen der eine, den ich bei nдchster Gelegenheit aus der Bank hinausbefцrdern werde, die Photographien wahrscheinlich in die Hand genommen hat.
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Ob sie mir die Hand reichen wird? Der Aufseher hat mir die Hand nicht gereicht, dachte er und sah die Frau anders als frьher, prьfend an. Sie stand auf, weil auch er aufgestanden war, sie war ein wenig befangen, weil ihr nicht alles, was K. gesagt hatte, verstдndlich gewesen war. Infolge dieser Befangenheit sagte sie aber etwas, was sie gar nicht wollte und was auch gar nicht am Platze war: »Nehmen Sie es doch nicht so schwer, Herr K.«, sagte sie, hatte Trдnen in der Stimme und vergaЯ natьrlich auch den Handschlag. »Ich wьЯte nicht, daЯ ich es schwer nehme«, sagte K., plцtzlich ermьdet und das Wertlose aller Zustimmungen dieser Frau einsehend.
Bei der Tьr fragte er noch: »Ist Frдulein Bьrstner zu Hause?« »Nein«, sagte Frau Grubach und lдchelte bei dieser trockenen Auskunft mit einer verspдteten vernьnftigen Teilnahme. »Sie ist im Theater. Wollten Sie etwas von ihr? Soll ich ihr etwas ausrichten?« »Ach, ich wollte nur ein paar Worte mit ihr reden.« »Ich weiЯ leider nicht, wann sie kommt; wenn sie im Theater ist, kommt sie gewцhnlich spдt.« »Das ist ja ganz gleichgьltig«, sagte K. und drehte schon den gesenkten Kopf der Tьr zu, um wegzugehen, »ich wollte mich nur bei ihr entschuldigen, daЯ ich heute ihr Zimmer in Anspruch genommen habe.« »Das ist nicht nцtig, Herr K., Sie sind zu rьcksichtsvoll, das Frдulein weiЯ ja von gar nichts, sie war seit dem frьhen Morgen noch nicht zu Hause, es ist auch schon alles in Ordnung gebracht, sehen Sie selbst.« Und sie цffnete die Tьr zu Frдulein Bьrstners Zimmer. »Danke, ich glaube es«, sagte K., ging dann aber doch zu der offenen Tьr. Der Mond schien still in das dunkle Zimmer. Soviel man sehen konnte, war wirklich alles an seinem Platz, auch die Bluse hing nicht mehr an der Fensterklinke. Auffallend hoch schienen die Polster im Bett, sie lagen zum Teil im Mondlicht. »Das Frдulein kommt oft spдt nach Hause«, sagte K. und sah Frau Grubach an, als trage sie die Verantwortung dafьr. »Wie eben junge Leute sind!« sagte Frau Grubach entschuldigend. »GewiЯ, gewiЯ«, sagte K., »es kann aber zu weit gehen.« »Das kann es«, sagte Frau Grubach, »wie sehr haben Sie recht, Herr K. Vielleicht sogar in diesem Fall. Ich will Frдulein Bьrstner gewiЯ nicht verleumden, sie ist ein gutes, liebes Mдdchen, freundlich, ordentlich, pьnktlich, arbeitsam, ich schдtze das alles sehr, aber eines ist wahr, sie sollte stolzer, zurьckhaltender sein. Ich habe sie in diesem Monat schon zweimal in entlegenen StraЯen und immer mit einem andern Herrn gesehen. Es ist mir sehr peinlich, ich erzдhle es, beim wahrhaftigen Gott, nur Ihnen, Herr K., aber es wird sich nicht vermeiden lassen, daЯ ich auch mit dem Frдulein selbst darьber spreche. Es ist ьbrigens nicht das Einzige, das sie mir verdдchtig macht.« »Sie sind auf ganz falschem Weg«, sagte K. wьtend und fast unfдhig, es zu verbergen, »ьbrigens haben Sie offenbar auch meine Bemerkung ьber das Frдulein miЯverstanden, so war es nicht gemeint. Ich warne Sie sogar aufrichtig, dem Frдulein irgend etwas zu sagen, Sie sind durchaus im Irrtum, ich kenne das Frдulein sehr gut, es ist nichts davon wahr, was Sie sagten. Ьbrigens, vielleicht gehe ich zu weit, ich will Sie nicht hindern, sagen Sie ihr, was Sie wollen. Gute Nacht.« »Herr K.«, sagte Frau Grubach bittend und eilte K. bis zu seiner Tьr nach, die er schon geцffnet hatte, »ich will ja noch gar nicht mit dem Frдulein reden, natьrlich will ich sie vorher noch weiter beobachten, nur Ihnen habe ich anvertraut, was ich wuЯte. SchlieЯlich muЯ es doch im Sinne jedes Mieters sein, wenn man die Pension rein zu erhalten sucht, und nichts anderes ist mein Bestreben dabei.« »Die Reinheit!« rief K. noch durch die Spalte der Tьr, »wenn Sie die Pension rein erhalten wollen, mьssen Sie zuerst mir kьndigen.« Dann schlug er die Tьr zu, ein leises Klopfen beachtete er nicht mehr.
Dagegen beschloЯ er, da er gar keine Lust zum Schlafen hatte, noch wachzubleiben und bei dieser Gelegenheit auch festzustellen, wann Frдulein Bьrstner kommen wьrde. Vielleicht wдre es dann auch mцglich, so unpassend es sein mochte, noch ein paar Worte mir ihr zu reden. Als er im Fenster lag und die mьden Augen drьckte, dachte er einen Augenblick sogar daran, Frau Grubach zu bestrafen und Frдulein Bьrstner zu ьberreden, gemeinsam mit ihm zu kьndigen. Sofort aber erschien ihm das entsetzlich ьbertrieben, und er hatte sogar den Verdacht gegen sich, daЯ er darauf ausging, die Wohnung wegen der Vorfдlle am Morgen zu wechseln. Nichts wдre unsinniger und vor allem zweckloser und verдchtlicher gewesen. Als er des Hinausschauens auf die leere StraЯe ьberdrьssig geworden war, legte er sich auf das Kanapee, nachdem er die Tьr zum Vorzimmer ein wenig geцffnet hatte, um jeden, der die Wohnung betrat, gleich vom Kanapee aus sehen zu kцnnen. Etwa bis elf Uhr lag er ruhig, eine Zigarre rauchend, auf dem Kanapee. Von da ab hielt er es aber nicht mehr dort aus, sondern ging ein wenig ins Vorzimmer, als kцnne er dadurch die Ankunft des Frдulein Bьrstner beschleunigen. Er hatte kein besonderes Verlangen nach ihr, er konnte sich nicht einmal genau erinnern, wie sie aussah, aber nun wollte er mit ihr reden und es reizte ihn, daЯ sie durch ihr spдtes Kommen auch noch in den AbschluЯ dieses Tages Unruhe und Unordnung brachte. Sie war auch schuld daran, daЯ er heute nicht zu Abend gegessen und daЯ er den fьr heute beabsichtigten Besuch bei Elsa unterlassen hatte. Beides konnte er allerdings noch dadurch nachholen, daЯ er jetzt in das Weinlokal ging, in dem Elsa bedienstet war. Er wollte es auch noch spдter nach der Unterredung mit Frдulein Bьrstner tun.
Es war halb zwцlf vorьber, als jemand im Treppenhaus zu hцren war. K., der, seinen Gedanken hingegeben, im Vorzimmer so, als wдre es sein eigenes Zimmer, laut auf und ab ging, flьchtete hinter seine Tьr. Es war Frдulein Bьrstner, die gekommen war. Frцstelnd zog sie, wдhrend sie die Tьr versperrte, einen seidenen Schal um ihre schmalen Schultern zusammen. Im nдchsten Augenblick muЯte sie in ihr Zimmer gehen, in das K. gewiЯ um Mitternacht nicht eindringen durfte; er muЯte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglьcklicherweise versдumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daЯ sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Ьberfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken muЯte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flьsterte er durch den Tьrspalt: »Frдulein Bьrstner.« Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. »Ist jemand hier?« fragte Frдulein Bьrstner und sah sich mit groЯen Augen um. »Ich bin es«, sagte K. und trat vor. »Ach, Herr K.!« sagte Frдulein Bьrstner lдchelnd. »Guten Abend«, und sie reichte ihm die Hand. »Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?« »Jetzt?« fragte Frдulein Bьrstner, »muЯ es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?« »Ich warte seit neun Uhr auf Sie.« »Nun ja, ich war im Theater, ich wuЯte doch nichts von Ihnen.« »Der AnlaЯ fьr das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.« »So, nun ich habe ja nichts Grundsдtzliches dagegen, auЯer daЯ ich zum Hinfallen mьde bin. Also kommen Sie auf ein paar Minuten in mein Zimmer. Hier kцnnten wir uns auf keinen Fall unterhalten, wir wecken ja alle und das wдre mir unseretwegen noch unangenehmer als der Leute wegen. Warten Sie hier, bis ich in meinem Zimmer angezьndet habe, und drehen Sie dann hier das Licht ab.« K. tat so, wartete dann aber noch bis Frдulein Bьrstner ihn aus ihrem Zimmer nochmals leise aufforderte zu kommen. »Setzen Sie sich«, sagte sie und zeigte auf die Ottomane, sie selbst blieb aufrecht am Bettpfosten trotz der Mьdigkeit, von der sie gesprochen hatte; nicht einmal ihren kleinen, aber mit einer Ьberfьlle von Blumen geschmьckten Hut legte sie ab. »Was wollten Sie also? Ich bin wirklich neugierig.« Sie kreuzte leicht die Beine. »Sie werden vielleicht sagen«, begann K., »daЯ die Sache nicht so dringend war, um jetzt besprochen zu werden, aber –« »Einleitungen ьberhцre ich immer«, sagte Frдulein Bьrstner. »Das erleichtert meine Aufgabe«, sagte K. »Ihr Zimmer ist heute frьh, gewissermaЯen durch meine Schuld, ein wenig in Unordnung gebracht worden, es geschah durch fremde Leute gegen meinen Willen und doch, wie gesagt, durch meine Schuld; dafьr wollte ich um Entschuldigung bitten.« »Mein Zimmer?« fragte Frдulein Bьrstner und sah statt des Zimmers K. prьfend an. »Es ist so«, sagte K., und nun sahen beide einander zum erstenmal in die Augen, »die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.« »Aber doch das eigentlich Interessante«, sagte Frдulein Bьrstner. »Nein«, sagte K. »Nun«, sagte Frдulein Bьrstner, »ich will mich nicht in Geheimnisse eindrдngen, bestehen Sie darauf, daЯ es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.« Sie machte, die flachen Hдnde tief an die Hьften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. »Sehen Sie doch!« rief sie. »Meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber hдЯlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.« K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine цde, sinnlose Lebhaftigkeit niemals zдhmen konnte. »Es ist sonderbar«, sagte Frдulein Bьrstner, »daЯ ich gezwungen bin, Ihnen etwas zu verbieten, was Sie sich selbst verbieten mьЯten, nдmlich in meiner Abwesenheit mein Zimmer zu betreten.« »Ich erklдrte Ihnen doch, Frдulein«, sagte K. und ging auch zu den Photographien, »daЯ nicht ich es war, der sich an Ihren Photographien vergangen hat; aber da Sie mir nicht glauben, so muЯ ich also eingestehen, daЯ die Untersuchungskommission drei Bankbeamte mitgebracht hat, von denen der eine, den ich bei nдchster Gelegenheit aus der Bank hinausbefцrdern werde, die Photographien wahrscheinlich in die Hand genommen hat.
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