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« Und er drehte sich um, als gedenke er in keine Verhandlungen mehr einzugehen, gebe aber noch eine kleine Bedenkzeit. »Wen betrifft es denn?« fragte der Advokat mit erlцschender Stimme und legte sich wieder zurьck. »Meinen Neffen«, sagte der Onkel, »ich habe ihn auch mitgebracht.« Und er stellte vor: »Prokurist Josef K.« »Oh«, sagte der Kranke viel lebhafter und streckte K. die Hand entgegen, »verzeihen Sie, ich habe Sie gar nicht bemerkt. Geh, Leni«, sagte er dann zu der Pflegerin, die sich auch gar nicht mehr wehrte, und reichte ihr die Hand, als gelte es einen Abschied fьr lange Zeit. »Du bist also«, sagte er endlich zum Onkel, der, auch versцhnt, nдhergetreten war, »nicht gekommen, mir einen Krankenbesuch zu machen, sondern du kommst in Geschдften.« Es war, als hдtte die Vorstellung eines Krankenbesuchs den Advokaten bisher gelдhmt, so gekrдftigt sah er jetzt aus, blieb stдndig auf einem Ellbogen aufgestьtzt, was ziemlich anstrengend sein muЯte, und zog immer wieder an einem Bartstrahn in der Mitte seines Bartes. »Du siehst schon viel gesьnder aus«, sagte der Onkel, »seit diese Hexe drauЯen ist.« Er unterbrach sich, flьsterte: »Ich wette, daЯ sie horcht!« und er sprang zur Tьr. Aber hinter der Tьr war niemand, der Onkel kam zurьck, nicht enttдuscht, denn ihr Nichthorchen erschien ihm als eine noch grцЯere Bosheit, wohl aber verbittert: »Du verkennst sie«, sagte der Advokat, ohne die Pflegerin weiter in Schutz zu nehmen; vielleicht wollte er damit ausdrьcken, daЯ sie nicht schutzbedьrftig sei. Aber in viel teilnehmenderem Tone fuhr er fort: »Was die Angelegenheit deines Herrn Neffen betrifft, so wьrde ich mich allerdings glьcklich schдtzen, wenn meine Kraft fьr diese дuЯerst schwierige Aufgabe ausreichen kцnnte; ich fьrchte sehr, daЯ sie nicht ausreichen wird, jedenfalls will ich nichts unversucht lassen; wenn ich nicht ausreiche, kцnnte man ja noch jemanden anderen beiziehen. Um aufrichtig zu sein, interessiert mich die Sache zu sehr, als daЯ ich es ьber mich bringen kцnnte, auf jede Beteiligung zu verzichten. Hдlt es mein Herz nicht aus, so wird es doch wenigstens hier eine wьrdige Gelegenheit finden, gдnzlich zu versagen.« K. glaubte, kein Wort dieser ganzen Rede zu verstehen, er sah den Onkel an, um dort eine Erklдrung zu finden, aber dieser saЯ, mit der Kerze in der Hand, auf dem Nachttischchen, von dem bereits eine Arzneimittelflasche auf den Teppich gerollt war, nickte zu allem, was der Advokat sagte, war mit allem einverstanden und sah hie und da auf K. mit der Aufforderung zu gleichem Einverstдndnis hin. Hatte vielleicht der Onkel schon frьher dem Advokaten von dem ProzeЯ erzдhlt? Aber das war unmцglich, alles, was vorhergegangen war, sprach dagegen. »Ich verstehe nicht –«, sagte er deshalb. »Ja, habe vielleicht ich Sie miЯverstanden?« fragte der Advokat ebenso erstaunt und verlegen wie K. »Ich war vielleicht voreilig. Worьber wollten Sie denn mit mir sprechen? Ich dachte, es handle sich um Ihren ProzeЯ?« »Natьrlich«, sagte der Onkel und fragte dann K.: »Was willst du denn?« »Ja, aber woher wissen Sie denn etwas ьber mich und meinen ProzeЯ?« fragte K. »Ach so«, sagte der Advokat lдchelnd, »Ich bin doch Advokat, ich verkehre in Gerichtskreisen, man spricht ьber verschiedene Prozesse, und auffallendere, besonders wenn es den Neffen eines Freundes betrifft, behдlt man im Gedдchtnis. Das ist doch nichts Merkwьrdiges.« »Was willst du denn?« fragte der Onkel K. nochmals. »Du bist so unruhig.« »Sie verkehren in diesen Gerichtskreisen?« fragte K. »Ja«, sagte der Advokat. »Du fragst wie ein Kind«, sagte der Onkel. »Mit wem sollte ich denn verkehren, wenn nicht mit Leuten meines Faches?« fьgte der Advokat hinzu. Es klang so unwiderleglich, daЯ K. gar nicht antwortete. »Sie arbeiten doch bei dem Gericht im Justizpalast, und nicht bei dem auf dem Dachboden«, hatte er sagen wollen, konnte sich aber nicht ьberwinden, es wirklich zu sagen. »Sie mьssen doch bedenken«, fuhr der Advokat fort, in einem Tone, als erklдre er etwas Selbstverstдndliches ьberflьssigerweise und nebenbei, »Sie mьssen doch bedenken, daЯ ich aus einem solchen Verkehr auch groЯe Vorteile fьr meine Klientel ziehe, und zwar in vielfacher Hinsicht, man darf nicht einmal immer davon reden. Natьrlich bin ich jetzt infolge meiner Krankheit ein wenig behindert, aber ich bekomme trotzdem Besuch von guten Freunden vom Gericht und erfahre doch einiges. Erfahre vielleicht mehr als manche, die in bester Gesundheit den ganzen Tag bei Gericht verbringen. So habe ich zum Beispiel gerade jetzt einen lieben Besuch.« Und er zeigte in eine dunkle Zimmerecke. »Wo denn?« fragte K. in der ersten Ьberraschung fast grob. Er sah unsicher herum; das Licht der kleinen Kerze drang bis zur gegenьberliegenden Wand bei weitem nicht. Und wirklich begann sich dort in der Ecke etwas zu rьhren. Im Licht der Kerze, die der Onkel jetzt hochhielt, sah man dort, bei einem kleinen Tischchen, einen дlteren Herrn sitzen. Er hatte wohl gar nicht geatmet, daЯ er so lange unbemerkt geblieben war. Jetzt stand er umstдndlich auf, offenbar unzufrieden damit, daЯ man auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Es war, als wolle er mit den Hдnden, die er wie kurze Flьgel bewegte, alle Vorstellungen und BegrьЯungen abwehren, als wolle er auf keinen Fall die anderen durch seine Anwesenheit stцren und als bitte er dringend wieder um die Versetzung ins Dunkel und um das Vergessen seiner Anwesenheit. Das konnte man ihm nun aber nicht mehr zugestehen. »Ihr habt uns nдmlich ьberrascht«, sagte der Advokat zur Erklдrung und winkte dabei dem Herrn aufmunternd zu, nдherzukommen, was dieser langsam, zцgernd herumblickend und doch mit einer gewissen Wьrde tat, »der Herr Kanzleidirektor – ach so, Verzeihung, ich habe nicht vorgestellt – hier mein Freund Albert K., hier sein Neffe, Prokurist Josef K., und hier der Herr Kanzleidirektor – der Herr Kanzleidirektor also war so freundlich, mich zu besuchen. Den Wert eines solchen Besuches kann eigentlich nur der Eingeweihte wьrdigen, welcher weiЯ, wie der Herr Kanzleidirektor mit Arbeit ьberhдuft ist. Nun, er kam aber trotzdem, wir unterhielten uns friedlich, soweit meine Schwдche es erlaubte, wir hatten zwar Leni nicht verboten, Besuche einzulassen, denn es waren keine zu erwarten, aber unsere Meinung war doch, daЯ wir allein bleiben sollten, dann aber kamen deine Fausthiebe, Albert, der Herr Kanzleidirektor rьckte mit Sessel und Tisch in den Winkel, nun aber zeigt sich, daЯ wir mцglicherweise, das heiЯt, wenn der Wunsch danach besteht, eine gemeinsame Angelegenheit zu besprechen haben und sehr gut wieder zusammenrьcken kцnnen. – Herr Kanzleidirektor«, sagte er mit Kopfneigen und unterwьrfigem Lдcheln und zeigte auf einen Lehnstuhl in der Nдhe des Bettes. »Ich kann leider nur noch ein paar Minuten bleiben«, sagte der Kanzleidirektor freundlich, setzte sich breit in den Lehnstuhl und sah auf die Uhr, »die Geschдfte rufen mich. Jedenfalls will ich nicht die Gelegenheit vorьbergehen lassen, einen Freund meines Freundes kennenzulernen.« Er neigte den Kopf leicht gegen den Onkel, der von der neuen Bekanntschaft sehr befriedigt schien, aber infolge seiner Natur Gefьhle der Ergebenheit nicht ausdrьcken konnte und die Worte des Kanzleidirektors mit verlegenem, aber lautem Lachen begleitete. Ein hдЯlicher Anblick! K. konnte ruhig alles beobachten, denn um ihn kьmmerte sich niemand, der Kanzleidirektor nahm, wie es seine Gewohnheit schien, da er nun schon einmal hervorgezogen war, die Herrschaft ьber das Gesprдch an sich, der Advokat, dessen erste Schwдche vielleicht nur dazu hatte dienen sollen, den neuen Besuch zu vertreiben, hцrte aufmerksam, die Hand am Ohre zu, der Onkel als Kerzentrдger – er balancierte die Kerze auf seinem Schenkel, der Advokat sah цfter besorgt hin – war bald frei von Verlegenheit und nur noch entzьckt, sowohl von der Art der Rede des Kanzleidirektors als auch von den sanften, wellenfцrmigen Handbewegungen, mit denen er sie begleitete. K., der am Bettpfosten lehnte, wurde vom Kanzleidirektor vielleicht sogar mit Absicht vollstдndig vernachlдssigt und diente den alten Herren nur als Zuhцrer. Ьbrigens wuЯte er kaum, wovon die Rede war und dachte bald an die Pflegerin und an die schlechte Behandlung, die sie vom Onkel erfahren hatte, bald daran, ob er den Kanzleidirektor nicht schon einmal gesehen hatte, vielleicht sogar in der Versammlung bei seiner ersten Untersuchung. Wenn er sich auch vielleicht tдuschte, so hдtte sich doch der Kanzleidirektor den Versammlungsteilnehmern in der ersten Reihe, den alten Herren mit den schьtteren Bдrten, vorzьglich eingefьgt.
Da lieЯ ein Lдrm aus dem Vorzimmer, wie von zerbrechendem Porzellan, alle aufhorchen. »Ich will nachsehen, was geschehen ist«, sagte K. und ging langsam hinaus, als gebe er den anderen noch Gelegenheit, ihn zurьckzuhalten. Kaum war er ins Vorzimmer getreten und wollte sich im Dunkel zurechtfinden, als sich auf die Hand, mit der er die Tьr noch festhielt, eine kleine Hand legte, viel kleiner als K.s Hand, und die Tьr leise schloЯ. Es war die Pflegerin, die hier gewartet hatte. »Es ist nichts geschehen«, flьsterte sie, »ich habe nur einen Teller gegen die Mauer geworfen, um Sie herauszuholen.« In seiner Befangenheit sagte K.: »Ich habe auch an Sie gedacht.« »Desto besser«, sagte die Pflegerin, »kommen Sie.« Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tьr aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. цffnete. »Treten Sie doch ein«, sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen, viereckigen Teil des FuЯbodens an jedem der drei groЯen Fenster erhellte, war es mit schweren, alten Mцbelstьcken ausgestattet. »Hierher«, sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne.
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Da lieЯ ein Lдrm aus dem Vorzimmer, wie von zerbrechendem Porzellan, alle aufhorchen. »Ich will nachsehen, was geschehen ist«, sagte K. und ging langsam hinaus, als gebe er den anderen noch Gelegenheit, ihn zurьckzuhalten. Kaum war er ins Vorzimmer getreten und wollte sich im Dunkel zurechtfinden, als sich auf die Hand, mit der er die Tьr noch festhielt, eine kleine Hand legte, viel kleiner als K.s Hand, und die Tьr leise schloЯ. Es war die Pflegerin, die hier gewartet hatte. »Es ist nichts geschehen«, flьsterte sie, »ich habe nur einen Teller gegen die Mauer geworfen, um Sie herauszuholen.« In seiner Befangenheit sagte K.: »Ich habe auch an Sie gedacht.« »Desto besser«, sagte die Pflegerin, »kommen Sie.« Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tьr aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. цffnete. »Treten Sie doch ein«, sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen, viereckigen Teil des FuЯbodens an jedem der drei groЯen Fenster erhellte, war es mit schweren, alten Mцbelstьcken ausgestattet. »Hierher«, sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne.
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