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Wir wollen beraten, wie dir zu helfen wдre, ich muЯ den Advokaten vorsichtig behandeln, dieser wieder den Kanzleidirektor, und du hдttest doch allen Grund, mich wenigstens zu unterstьtzen. Statt dessen bleibst du fort. SchlieЯlich lдЯt es sich nicht verheimlichen, nun, es sind hцfliche, gewandte Mдnner, sie sprechen nicht davon, sie schonen mich, schlieЯlich kцnnen aber auch sie sich nicht mehr ьberwinden, und da sie von der Sache nicht reden kцnnen, verstummen sie. Wir sind minutenlang schweigend dagesessen und haben gehorcht, ob du nicht doch endlich kдmest. Alles vergebens. Endlich steht der Kanzleidirektor, der viel lдnger geblieben ist, als er ursprьnglich wollte, auf, verabschiedet sich, bedauert mich sichtlich, ohne mir helfen zu kцnnen, wartet in unbegreiflicher Liebenswьrdigkeit noch eine Zeitlang in der Tьr, dann geht er. Ich war natьrlich glьcklich, daЯ er weg war, mir war schon die Luft zum Atmen ausgegangen. Auf den kranken Advokaten hat alles noch stдrker eingewirkt, er konnte, der gute Mann, gar nicht sprechen, als ich mich von ihm verabschiedete. Du hast wahrscheinlich zu seinem vollstдndigen Zusammenbrechen beigetragen und beschleunigst so den Tod eines Mannes, auf den du angewiesen bist. Und mich, deinen Onkel, lдЯt du hier im Regen – fьhle nur, ich bin ganz durchnдЯt – stundenlang warten und mich in Sorgen abquдlen.
Siebentes Kapitel Advokat, Fabrikant, Maler
An einem Wintervormittag – drauЯen fiel Schnee im trьben Licht – saЯ K., trotz der frьhen Stunde schon дuЯerst mьde, in seinem Bьro. Um sich wenigstens vor den unteren Beamten zu schьtzen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer grцЯeren Arbeit beschдftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstдnde auf dem Tisch, lieЯ dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den ProzeЯ verlieЯ ihn nicht mehr. Цfters schon hatte er ьberlegt, ob es nicht gut wдre, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem irgendwie wichtigeren Ereignis erklдren, aus welchen Grьnden er so gehandelt hatte, ob diese Handlungsweise nach seinem gegenwдrtigen Urteil zu verwerfen oder zu billigen war und welche Grьnde er fьr dieses oder jenes anfьhren konnte. Die Vorteile einer solchen Verteidigungsschrift gegenьber der bloЯen Verteidigung durch den ьbrigens auch sonst nicht einwandfreien Advokaten waren zweifellos. K. wuЯte ja gar nicht, was der Advokat unternahm; viel war es jedenfalls nicht, schon einen Monat lang hatte er ihn nicht mehr zu sich berufen, und auch bei keiner der frьheren Besprechungen hatte K. den Eindruck gehabt, daЯ dieser Mann viel fьr ihn erreichen kцnne. Vor allem hatte er ihn fast gar nicht ausgefragt. Und hier war doch so viel zu fragen. Fragen war die Hauptsache. K. hatte das Gefьhl, als ob er selbst alle hier nцtigen Fragen stellen kцnnte. Der Advokat dagegen, statt zu fragen, erzдhlte selbst oder saЯ ihm stumm gegenьber, beugte sich, wahrscheinlich wegen seines schwachen Gehцrs, ein wenig ьber den Schreibtisch vor, zog an einem Bartstrahn innerhalb seines Bartes und blickte auf den Teppich nieder, vielleicht gerade auf die Stelle, wo K. mit Leni gelegen war. Hier und da gab er K. einige leere Ermahnungen, wie man sie Kindern gibt. Ebenso nutzlose wie langweilige Reden, die K. in der SchluЯabrechnung mit keinem Heller zu bezahlen gedachte. Nachdem der Advokat ihn genьgend gedemьtigt zu haben glaubte, fing er gewцhnlich an, ihn wieder ein wenig aufzumuntern. Er habe schon, erzдhlte er dann, viele дhnliche Prozesse ganz oder teilweise gewonnen. Prozesse, die, wenn auch in Wirklichkeit vielleicht nicht so schwierig wie dieser, дuЯerlich noch hoffnungsloser waren. Ein Verzeichnis dieser Prozesse habe er hier in der Schublade – hierbei klopfte er an irgendeine Lade des Tisches –, die Schriften kцnne er leider nicht zeigen, da es sich um Amtsgeheimnisse handle. Trotzdem komme jetzt natьrlich die groЯe Erfahrung, die er durch alle diese Prozesse erworben habe, K. zugute. Er habe natьrlich sofort zu arbeiten begonnen, und die erste Eingabe sei schon fast fertiggestellt. Sie sei sehr wichtig, weil der erste Eindruck, den die Verteidigung mache, oft die ganze Richtung des Verfahrens bestimme. Leider, darauf mьsse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, daЯ die ersten Eingaben bei Gericht gar nicht gelesen wьrden. Man lege sie einfach zu den Akten und weise darauf hin, daЯ vorlдufig die Einvernahme und Beobachtung des Angeklagten wichtiger sei als alles Geschriebene. Man fьgt, wenn der Petent dringlich wird, hinzu, daЯ man vor der Entscheidung, sobald alles Material gesammelt ist, im Zusammenhang natьrlich, alle Akten, also auch diese erste Eingabe, ьberprьfen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig, die erste Eingabe werde gewцhnlich verlegt oder gehe gдnzlich verloren, und selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat allerdings nur gerьchtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. mцge doch nicht auЯer acht lassen, daЯ das Verfahren nicht цffentlich sei, es kann, wenn das Gericht es fьr nцtig hдlt, цffentlich werden, das Gesetz aber schreibt Цffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des Gerichts, vor allem die Anklageschrift, dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzugдnglich, man weiЯ daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zufдlligerweise etwas enthalten, was fьr die Sache von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisfьhrende Eingaben kann man erst spдter ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begrьndung deutlicher hervortreten oder erraten werden kцnnen. Unter diesen Verhдltnissen ist natьrlich die Verteidigung in einer sehr ungьnstigen und schwierigen Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist nдmlich durch das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet, und selbst darьber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher strenggenommen gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das wirkt natьrlich auf den ganzen Stand sehr entwьrdigend ein, und wenn K. nдchstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, kцnne er sich ja, um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehen. Er werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich erschrecken. Schon die ihnen zugewiesene enge, niedrige Kammer zeige die Verachtung, die das Gericht fьr diese Leute hat. Licht bekommt die Kammer nur durch eine kleine Luke, die so hochgelegen ist, daЯ man, wenn man hinausschauen will, wo einem ьbrigens der Rauch eines knapp davor gelegenen Kamins in die Nase fдhrt und das Gesicht schwдrzt, erst einen Kollegen suchen muЯ, der einen auf den Rьcken nimmt. Im FuЯboden dieser Kammer – um nur noch ein Beispiel fьr diese Zustдnde anzufьhren – ist nun schon seit mehr als einem Jahr ein Loch, nicht so groЯ, daЯ ein Mensch durchfallen kцnnte, aber groЯ genug, daЯ man mit einem Bein ganz einsinkt. Das Advokatenzimmer liegt auf dem zweiten Dachboden; sinkt also einer ein, so hдngt das Bein in den ersten Dachboden hinunter, und zwar gerade in den Gang, wo die Parteien warten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man in Advokatenkreisen solche Verhдltnisse schдndlich nennt. Beschwerden an die Verwaltung haben nicht den geringsten Erfolg, wohl aber ist es den Advokaten auf das strengste verboten, irgend etwas in dem Zimmer auf eigene Kosten дndern zu lassen. Aber auch diese Behandlung der Advokaten hat ihre Begrьndung. Man will die Verteidigung mцglichst ausschalten, alles soll auf den Angeklagten selbst gestellt sein. Kein schlechter Standpunkt im Grunde, nichts wдre aber verfehlter, als daraus zu folgern, daЯ bei diesem Gericht die Advokaten fьr den Angeklagten unnцtig sind. Im Gegenteil, bei keinem anderen Gericht sind sie so notwendig wie bei diesem. Das Verfahren ist nдmlich im allgemeinen nicht nur vor der Цffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten. Natьrlich nur soweit dies mцglich ist, es ist aber in sehr weitem AusmaЯ mцglich. Auch der Angeklagte hat nдmlich keinen Einblick in die Gerichtsschriften, und aus den Verhцren auf die ihnen zugrunde liegenden Schriften zu schlieЯen, ist sehr schwierig, insbesondere aber fьr den Angeklagten, der doch befangen ist und alle mцglichen Sorgen hat, die ihn zerstreuen. Hier greift nun die Verteidigung ein. Bei den Verhцren dьrfen im allgemeinen Verteidiger nicht anwesend sein, sie mьssen daher nach den Verhцren, und zwar mцglichst noch an der Tьr des Untersuchungszimmers, den Angeklagten ьber das Verhцr ausforschen und diesen oft schon sehr verwischten Berichten das fьr die Verteidigung Taugliche entnehmen. Aber das Wichtigste ist dies nicht, denn viel kann man auf diese Weise nicht erfahren, wenn natьrlich auch hier wie ьberall ein tьchtiger Mann mehr erfдhrt als andere. Das Wichtigste bleiben trotzdem die persцnlichen Beziehungen des Advokaten, in ihnen liegt der Hauptwert der Verteidigung. Nun habe ja wohl K. schon seinen eigenen Erlebnissen entnommen, daЯ die allerunterste Organisation des Gerichtes nicht ganz vollkommen ist, pflichtvergessene und bestechliche Angestellte aufweist, wodurch gewissermaЯen die strenge AbschlieЯung des Gerichtes Lьcken bekommt. Hier nun drдngt sich die Mehrzahl der Advokaten ein, hier wird bestochen und ausgehorcht, ja es kamen, wenigstens in frьherer Zeit, sogar Fдlle von Aktendiebstдhlen vor.
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Siebentes Kapitel Advokat, Fabrikant, Maler
An einem Wintervormittag – drauЯen fiel Schnee im trьben Licht – saЯ K., trotz der frьhen Stunde schon дuЯerst mьde, in seinem Bьro. Um sich wenigstens vor den unteren Beamten zu schьtzen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer grцЯeren Arbeit beschдftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstдnde auf dem Tisch, lieЯ dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den ProzeЯ verlieЯ ihn nicht mehr. Цfters schon hatte er ьberlegt, ob es nicht gut wдre, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem irgendwie wichtigeren Ereignis erklдren, aus welchen Grьnden er so gehandelt hatte, ob diese Handlungsweise nach seinem gegenwдrtigen Urteil zu verwerfen oder zu billigen war und welche Grьnde er fьr dieses oder jenes anfьhren konnte. Die Vorteile einer solchen Verteidigungsschrift gegenьber der bloЯen Verteidigung durch den ьbrigens auch sonst nicht einwandfreien Advokaten waren zweifellos. K. wuЯte ja gar nicht, was der Advokat unternahm; viel war es jedenfalls nicht, schon einen Monat lang hatte er ihn nicht mehr zu sich berufen, und auch bei keiner der frьheren Besprechungen hatte K. den Eindruck gehabt, daЯ dieser Mann viel fьr ihn erreichen kцnne. Vor allem hatte er ihn fast gar nicht ausgefragt. Und hier war doch so viel zu fragen. Fragen war die Hauptsache. K. hatte das Gefьhl, als ob er selbst alle hier nцtigen Fragen stellen kцnnte. Der Advokat dagegen, statt zu fragen, erzдhlte selbst oder saЯ ihm stumm gegenьber, beugte sich, wahrscheinlich wegen seines schwachen Gehцrs, ein wenig ьber den Schreibtisch vor, zog an einem Bartstrahn innerhalb seines Bartes und blickte auf den Teppich nieder, vielleicht gerade auf die Stelle, wo K. mit Leni gelegen war. Hier und da gab er K. einige leere Ermahnungen, wie man sie Kindern gibt. Ebenso nutzlose wie langweilige Reden, die K. in der SchluЯabrechnung mit keinem Heller zu bezahlen gedachte. Nachdem der Advokat ihn genьgend gedemьtigt zu haben glaubte, fing er gewцhnlich an, ihn wieder ein wenig aufzumuntern. Er habe schon, erzдhlte er dann, viele дhnliche Prozesse ganz oder teilweise gewonnen. Prozesse, die, wenn auch in Wirklichkeit vielleicht nicht so schwierig wie dieser, дuЯerlich noch hoffnungsloser waren. Ein Verzeichnis dieser Prozesse habe er hier in der Schublade – hierbei klopfte er an irgendeine Lade des Tisches –, die Schriften kцnne er leider nicht zeigen, da es sich um Amtsgeheimnisse handle. Trotzdem komme jetzt natьrlich die groЯe Erfahrung, die er durch alle diese Prozesse erworben habe, K. zugute. Er habe natьrlich sofort zu arbeiten begonnen, und die erste Eingabe sei schon fast fertiggestellt. Sie sei sehr wichtig, weil der erste Eindruck, den die Verteidigung mache, oft die ganze Richtung des Verfahrens bestimme. Leider, darauf mьsse er K. allerdings aufmerksam machen, geschehe es manchmal, daЯ die ersten Eingaben bei Gericht gar nicht gelesen wьrden. Man lege sie einfach zu den Akten und weise darauf hin, daЯ vorlдufig die Einvernahme und Beobachtung des Angeklagten wichtiger sei als alles Geschriebene. Man fьgt, wenn der Petent dringlich wird, hinzu, daЯ man vor der Entscheidung, sobald alles Material gesammelt ist, im Zusammenhang natьrlich, alle Akten, also auch diese erste Eingabe, ьberprьfen wird. Leider sei aber auch dies meistens nicht richtig, die erste Eingabe werde gewцhnlich verlegt oder gehe gдnzlich verloren, und selbst wenn sie bis zum Ende erhalten bleibt, werde sie, wie der Advokat allerdings nur gerьchtweise erfahren hat, kaum gelesen. Das alles sei bedauerlich, aber nicht ganz ohne Berechtigung. K. mцge doch nicht auЯer acht lassen, daЯ das Verfahren nicht цffentlich sei, es kann, wenn das Gericht es fьr nцtig hдlt, цffentlich werden, das Gesetz aber schreibt Цffentlichkeit nicht vor. Infolgedessen sind auch die Schriften des Gerichts, vor allem die Anklageschrift, dem Angeklagten und seiner Verteidigung unzugдnglich, man weiЯ daher im allgemeinen nicht oder wenigstens nicht genau, wogegen sich die erste Eingabe zu richten hat, sie kann daher eigentlich nur zufдlligerweise etwas enthalten, was fьr die Sache von Bedeutung ist. Wirklich zutreffende und beweisfьhrende Eingaben kann man erst spдter ausarbeiten, wenn im Laufe der Einvernahmen des Angeklagten die einzelnen Anklagepunkte und ihre Begrьndung deutlicher hervortreten oder erraten werden kцnnen. Unter diesen Verhдltnissen ist natьrlich die Verteidigung in einer sehr ungьnstigen und schwierigen Lage. Aber auch das ist beabsichtigt. Die Verteidigung ist nдmlich durch das Gesetz nicht eigentlich gestattet, sondern nur geduldet, und selbst darьber, ob aus der betreffenden Gesetzesstelle wenigstens Duldung herausgelesen werden soll, besteht Streit. Es gibt daher strenggenommen gar keine vom Gericht anerkannten Advokaten, alle, die vor diesem Gericht als Advokaten auftreten, sind im Grunde nur Winkeladvokaten. Das wirkt natьrlich auf den ganzen Stand sehr entwьrdigend ein, und wenn K. nдchstens einmal in die Gerichtskanzleien gehen werde, kцnne er sich ja, um auch das einmal gesehen zu haben, das Advokatenzimmer ansehen. Er werde vor der Gesellschaft, die dort beisammen sei, vermutlich erschrecken. Schon die ihnen zugewiesene enge, niedrige Kammer zeige die Verachtung, die das Gericht fьr diese Leute hat. Licht bekommt die Kammer nur durch eine kleine Luke, die so hochgelegen ist, daЯ man, wenn man hinausschauen will, wo einem ьbrigens der Rauch eines knapp davor gelegenen Kamins in die Nase fдhrt und das Gesicht schwдrzt, erst einen Kollegen suchen muЯ, der einen auf den Rьcken nimmt. Im FuЯboden dieser Kammer – um nur noch ein Beispiel fьr diese Zustдnde anzufьhren – ist nun schon seit mehr als einem Jahr ein Loch, nicht so groЯ, daЯ ein Mensch durchfallen kцnnte, aber groЯ genug, daЯ man mit einem Bein ganz einsinkt. Das Advokatenzimmer liegt auf dem zweiten Dachboden; sinkt also einer ein, so hдngt das Bein in den ersten Dachboden hinunter, und zwar gerade in den Gang, wo die Parteien warten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man in Advokatenkreisen solche Verhдltnisse schдndlich nennt. Beschwerden an die Verwaltung haben nicht den geringsten Erfolg, wohl aber ist es den Advokaten auf das strengste verboten, irgend etwas in dem Zimmer auf eigene Kosten дndern zu lassen. Aber auch diese Behandlung der Advokaten hat ihre Begrьndung. Man will die Verteidigung mцglichst ausschalten, alles soll auf den Angeklagten selbst gestellt sein. Kein schlechter Standpunkt im Grunde, nichts wдre aber verfehlter, als daraus zu folgern, daЯ bei diesem Gericht die Advokaten fьr den Angeklagten unnцtig sind. Im Gegenteil, bei keinem anderen Gericht sind sie so notwendig wie bei diesem. Das Verfahren ist nдmlich im allgemeinen nicht nur vor der Цffentlichkeit geheim, sondern auch vor dem Angeklagten. Natьrlich nur soweit dies mцglich ist, es ist aber in sehr weitem AusmaЯ mцglich. Auch der Angeklagte hat nдmlich keinen Einblick in die Gerichtsschriften, und aus den Verhцren auf die ihnen zugrunde liegenden Schriften zu schlieЯen, ist sehr schwierig, insbesondere aber fьr den Angeklagten, der doch befangen ist und alle mцglichen Sorgen hat, die ihn zerstreuen. Hier greift nun die Verteidigung ein. Bei den Verhцren dьrfen im allgemeinen Verteidiger nicht anwesend sein, sie mьssen daher nach den Verhцren, und zwar mцglichst noch an der Tьr des Untersuchungszimmers, den Angeklagten ьber das Verhцr ausforschen und diesen oft schon sehr verwischten Berichten das fьr die Verteidigung Taugliche entnehmen. Aber das Wichtigste ist dies nicht, denn viel kann man auf diese Weise nicht erfahren, wenn natьrlich auch hier wie ьberall ein tьchtiger Mann mehr erfдhrt als andere. Das Wichtigste bleiben trotzdem die persцnlichen Beziehungen des Advokaten, in ihnen liegt der Hauptwert der Verteidigung. Nun habe ja wohl K. schon seinen eigenen Erlebnissen entnommen, daЯ die allerunterste Organisation des Gerichtes nicht ganz vollkommen ist, pflichtvergessene und bestechliche Angestellte aufweist, wodurch gewissermaЯen die strenge AbschlieЯung des Gerichtes Lьcken bekommt. Hier nun drдngt sich die Mehrzahl der Advokaten ein, hier wird bestochen und ausgehorcht, ja es kamen, wenigstens in frьherer Zeit, sogar Fдlle von Aktendiebstдhlen vor.
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