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Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes, groЯes Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten muЯte sich hier verloren vorkommen. K. glaubte, die kleinen Schritte zu sehen, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorrьckten. Dann aber vergaЯ er dies und hatte nur noch Augen fьr die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm saЯ und ihn fast an die Seitenlehne drьckte. »Ich dachte«, sagte sie, »Sie wьrden von selbst zu mir herauskommen, ohne daЯ ich Sie erst rufen mьЯte. Es war doch merkwьrdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann lieЯen Sie mich warten. Nennen Sie mich ьbrigens Leni«, fьgte sie noch rasch und unvermittelt zu, als solle kein Augenblick dieser Aussprache versдumt werden. »Gern«, sagte K., »Was aber die Merkwьrdigkeit betrifft, Leni, so ist sie leicht zu erklдren. Erstens muЯte ich doch das Geschwдtz der alten Herren anhцren und konnte nicht grundlos weglaufen, zweitens aber bin ich nicht frech, sondern eher schьchtern, und auch Sie, Leni, sahen wahrhaftig nicht so aus, als ob Sie in einem Sprung zu gewinnen wдren.« »Das ist es nicht«, sagte Leni, legte den Arm ьber die Lehne und sah K. an, »aber ich gefiel Ihnen nicht und gefalle Ihnen auch wahrscheinlich jetzt nicht.« »Gefallen wдre ja nicht viel«, sagte K. ausweichend. »Oh!« sagte sie lдchelnd und gewann durch K.s Bemerkung und diesen kleinen Ausruf eine gewisse Ьberlegenheit. Deshalb schwieg K. ein Weilchen. Da er sich an das Dunkel im Zimmer schon gewцhnt hatte, konnte er verschiedene Einzelheiten der Einrichtung unterscheiden. Besonders fiel ihm ein groЯes Bild auf, das rechts von der Tьr hing, er beugte sich vor, um es besser zu sehen. Es stellte einen Mann im Richtertalar dar; er saЯ auf einem hohen Thronsessel, dessen Vergoldung vielfach aus dem Bilde hervorstach. Das Ungewцhnliche war, daЯ dieser Richter nicht in Ruhe und Wьrde dort saЯ, sondern den linken Arm fest an Rьcken– und Seitenlehne drьckte, den rechten Arm aber vцllig frei hatte und nur mit der Hand die Seitenlehne umfaЯte, als wolle er im nдchsten Augenblick mit einer heftigen und vielleicht empцrten Wendung aufspringen, um etwas Entscheidendes zu sagen oder gar das Urteil zu verkьnden. Der Angeklagte war wohl zu FьЯen der Treppe zu denken, deren oberste, mit einem gelben Teppich bedeckte Stufen noch auf dem Bilde zu sehen waren. »Vielleicht ist das mein Richter«, sagte K. und zeigte mit einem Finger auf das Bild. »Ich kenne ihn«, sagte Leni und sah auch zum Bilde auf, »er kommt цfters hierher. Das Bild stammt aus seiner Jugend, er kann aber niemals dem Bilde auch nur дhnlich gewesen sein, denn er ist fast winzig klein. Trotzdem hat er sich auf dem Bild so in die Lдnge ziehen lassen, denn er ist unsinnig eitel, wie alle hier. Aber auch ich bin eitel und sehr unzufrieden damit, daЯ ich Ihnen gar nicht gefalle.« Auf die letzte Bemerkung antwortete K. nur damit, daЯ er Leni umfaЯte und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem Ьbrigen aber sagte er: »Was fьr einen Rang hat er?« »Er ist Untersuchungsrichter«, sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfaЯt hielt, und spielte mit seinen Fingern. »Wieder nur Untersuchungsrichter«, sagte K. enttдuscht, »die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel.« »Das ist alles Erfindung«, sagte Leni, das Gesicht ьber K.s Hand gebeugt, »in Wirklichkeit sitzt er auf einem Kьchensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber mьssen Sie denn immerfort an Ihren ProzeЯ denken?« fьgte sie langsam hinzu. »Nein, durchaus nicht«, sagte K., »ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn.« »Das ist nicht der Fehler, den Sie machen«, sagte Leni, »Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehцrt.« »Wer hat das gesagt?« fragte K., erfьhlte ihren Kцrper an seiner Brust und sah auf ihr reiches, dunkles, fest gedrehtes Harr hinab. »Ich wьrde zuviel verraten, wenn ich das sagte«, antwortete Leni. »Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann man sich ja nicht wehren, man muЯ das Gestдndnis machen. Machen Sie doch bei nдchster Gelegenheit das Gestдndnis. Erst dann ist die Mцglichkeit zu entschlьpfen gegeben, erst dann. Jedoch selbst das ist ohne fremde Hilfe nicht mцglich, wegen dieser Hilfe aber mьssen Sie sich nicht дngstigen, die will ich Ihnen selbst leisten.« »Sie verstehen viel von diesem Gericht und von den Betrьgereien, die hier nцtig sind«, sagte K. und hob sie, da sie sich allzu stark an ihn drдngte, auf seinen SchoЯ. »So ist es gut«, sagte sie und richtete sich auf seinem SchoЯ ein, indem sie den Rock glдttete und die Bluse zurechtzog. Dann hing sie sich mit beiden Hдnden an seinen Hals, lehnte sich zurьck und sah ihn lange an. »Und wenn ich das Gestдndnis nicht mache, dann kцnnen Sir mir nicht helfen?« fragte K. versuchsweise. Ich werbe Helferinnen, dachte er fast verwundert, zuerst Frдulein Bьrstner, dann die Frau des Gerichtsdieners und endlich diese kleine Pflegerin, die ein unbegreifliches Bedьrfnis nach mir zu haben scheint. Wie sie auf meinem SchoЯ sitzt, als sei es ihr einzig richtiger Platz! »Nein«, antwortete Leni und schьttelte langsam den Kopf, »dann kann ich Ihnen nicht helfen. Aber Sie wollen ja meine Hilfe gar nicht, es liegt Ihnen nichts daran, Sie sind eigensinnig und lassen sich nicht ьberzeugen.« »Haben Sie eine Geliebte?« fragte sie nach einem Weilchen. »Nein«, sagte K. »O doch«, sagte sie. »Ja wirklich«, sagte K., »denken Sie nur, ich habe sie verleugnet und trage doch sogar ihre Photographie bei mir.« Auf ihre Bitten zeigte er ihr eine Photographie Elsas, zusammengekrьmmt auf seinem SchoЯ, studierte sie das Bild. Es war eine Momentphotographie, Elsa war nach einem Wirbeltanz aufgenommen, wie sie ihn in dem Weinlokal gern tanzte, ihr Rock flog noch im Faltenwurf der Drehung um sie her, die Hдnde hatte sie auf die festen Hьften gelegt und sah mit straffem Hals lachend zur Seite; wem ihr Lachen galt, konnte man aus dem Bild nicht erkennen. »Sie ist stark geschnьrt«, sagte Leni und zeigte auf die Stelle, wo dies ihrer Meinung nach zu sehen war. »Sie gefдllt mir nicht, sie ist unbeholfen und roh. Vielleicht ist sie aber Ihnen gegenьber sanft und freundlich, darauf kцnnte man nach dem Bilde schlieЯen. So groЯe, starke Mдdchen wissen oft nichts anderes, als sanft und freundlich zu sein. Wьrde sie sich aber fьr Sie opfern kцnnen?« »Nein«, sagte K., »sie ist weder sanft und freundlich, noch wьrde sie sich fьr mich opfern kцnnen. Auch habe ich bisher weder das eine noch das andere von ihr verlangt. Ja, ich habe noch nicht einmal das Bild so genau angesehen wie Sie.« »Es liegt Ihnen also gar nicht viel an ihr«, sagte Leni, »sie ist also gar nicht Ihre Geliebte.« »Doch«, sagte K. »Ich nehme mein Wort nicht zurьck.« »Mag sie also jetzt Ihre Geliebte sein«, sagte Leni, »Sie wьrden sie aber nicht sehr vermissen, wenn Sie sie verlцren oder fьr jemand anderen, zum Beispiel fьr mich, eintauschten.« »GewiЯ«, sagte K. lдchelnd, »das wдre denkbar, aber sie hat einen groЯen Vorteil Ihnen gegenьber, sie weiЯ nichts von meinem ProzeЯ, und selbst wenn sie etwas davon wьЯte, wьrde sie nicht daran denken. Sie wьrde mich nicht zur Nachgiebigkeit zu ьberreden suchen.« »Das ist kein Vorteil«, sagte Leni. »Wenn sie keine sonstigen Vorteile hat, verliere ich nicht den Mut. Hat sie irgendeinen kцrperlichen Fehler?« »Einen kцrperlichen Fehler?« fragte K. »Ja«, sagte Leni, »ich habe nдmlich einen solchen kleinen Fehler, sehen Sie.« Sie spannte den Mittelund Ringfinger ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungshдutchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte. K. merkte im Dunkel nicht gleich, was sie ihm zeigen wollte, sie fьhrte deshalb seine Hand hin, damit er es abtaste. »Was fьr ein Naturspiel«, sagte K. und fьgte, als er die ganze Hand ьberblickt hatte, hinzu: »Was fьr eine hьbsche Kralle!« Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schlieЯlich flьchtig kьЯte und loslieЯ. »Oh!« rief sie aber sofort, »Sie haben mich gekьЯt!« Eilig, mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen SchoЯ. K. sah fast bestьrzt zu ihr auf, jetzt, da sie ihm so nahe war, ging ein bitterer, aufreizender Geruch wie von Pfeffer von ihr aus, sie nahm seinen Kopf an sich, beugte sich ьber ihn hinweg und biЯ und kьЯte seinen Hals, biЯ selbst in seine Haare. »Sie haben mich eingetauscht!« rief sie von Zeit zu Zeit, »sehen Sie, nun haben Sie mich eingetauscht!« Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfaЯte sie, um sie noch zu halten, und wurde zu ihr hinabgezogen. »Jetzt gehцrst du mir«, sagte sie.
»Hier hast du den Hausschlьssel, komm, wann du willst«, waren ihre letzten Worte, und ein zielloser KuЯ traf ihn noch im Weggehen auf den Rьcken. Als er aus dem Haustor trat, fiel ein leichter Regen, er wollte in die Mitte der StraЯe gehen, um vielleicht Leni noch beim Fenster erblicken zu kцnnen, da stьrzte aus einem Automobil, das vor dem Hause wartete und das K. in seiner Zerstreutheit gar nicht bemerkt hatte, der Onkel, faЯte ihn bei den Armen und stieЯ ihn gegen das Haustor, als wolle er ihn dort festnageln. »Junge«, rief er, »wie konntest du nur das tun! Du hast deiner Sache, die auf gutem Wege war, schrecklich geschadet. Verkriechst dich mit einem kleinen, schmutzigen Ding, das ьberdies offensichtlich die Geliebte des Advokaten ist, und bleibst stundenlang weg. Suchst nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen, lдufst zu ihr und bleibst bei ihr. Und unterdessen sitzen wir beisammen, der Onkel, der sich fьr dich abmьht, der Advokat, der fьr dich gewonnen werden soll, der Kanzleidirektor vor allem, dieser groЯe Herr, der deine Sache in ihrem jetzigen Stadium geradezu beherrscht.
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»Hier hast du den Hausschlьssel, komm, wann du willst«, waren ihre letzten Worte, und ein zielloser KuЯ traf ihn noch im Weggehen auf den Rьcken. Als er aus dem Haustor trat, fiel ein leichter Regen, er wollte in die Mitte der StraЯe gehen, um vielleicht Leni noch beim Fenster erblicken zu kцnnen, da stьrzte aus einem Automobil, das vor dem Hause wartete und das K. in seiner Zerstreutheit gar nicht bemerkt hatte, der Onkel, faЯte ihn bei den Armen und stieЯ ihn gegen das Haustor, als wolle er ihn dort festnageln. »Junge«, rief er, »wie konntest du nur das tun! Du hast deiner Sache, die auf gutem Wege war, schrecklich geschadet. Verkriechst dich mit einem kleinen, schmutzigen Ding, das ьberdies offensichtlich die Geliebte des Advokaten ist, und bleibst stundenlang weg. Suchst nicht einmal einen Vorwand, verheimlichst nichts, nein, bist ganz offen, lдufst zu ihr und bleibst bei ihr. Und unterdessen sitzen wir beisammen, der Onkel, der sich fьr dich abmьht, der Advokat, der fьr dich gewonnen werden soll, der Kanzleidirektor vor allem, dieser groЯe Herr, der deine Sache in ihrem jetzigen Stadium geradezu beherrscht.
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